Unbekanntes Gladbeck – Folge 1

Zugegeben, eine steile These. Wo soll es in dem kleinen und überschaubaren Gladbeck noch Unbekanntes geben, an dem man sehr oft einfach achtlos vorbeigeht.

Unbekanntes Gladbeck - Vorderseite des Gedenksteins im Jovypark
Vorderseite des Gedenksteins im Jovypark – Foto: H. Enxing

Unbekanntes in Gladbeck

Das Alte Rathaus, die Lambertikirche, natürlich Haus Wittringen und inzwischen auch die Maschinenhalle Zweckel – diese „Wahrzeichen“ der Stadt sind den Gladbecker Bürgerinnen und Bürgern bestens vertraut und auch außerhalb von Gladbeck gut bekannt. Es gibt aber auch Unbekanntes in Gladbeck, das sich lohnt, entdeckt zu werden.

In der neuen Rubrik „Unbekanntes Gladbeck“ sind wir auf der Suche nach den interessanten, versteckten Orten in der Stadt, die man schnell übersieht. Schauen Sie mal hinein, was wir bisher zusammengetragen haben.

Und, haben Sie vielleicht auch einen (Geheim-)Tipp für „Unbekanntes“?
Dann wenden Sie sich an den Verein für Orts- und Heimatkunde Gladbeck:
E-Mail:
Tel.

Besonders freuen wir uns, wenn Sie auch gleich einen kurzen Text und ein Foto zur Verfügung stellen können.

Inhaltsverzeichnis Folge 1

Kennen Sie den Gedenkstein am Jovypark?

Er ist auf den ersten Blick nicht leicht zu erkennen und oft auch von Flechten und Moos bewachsen, so dass die Inschrift nur schlecht zu lesen ist. Aber schauen Sie einmal genau hin, dann finden Sie in Stadtmitte am Zugang zum Jovypark gegenüber vom Riesener-Gymnasium den auf dem Foto oben abgebildeten Gedenkstein.

Unbekanntes Gladbeck - Zweite Seite des Gedenksteins
Zweite Seite des Gedenksteins – Foto: H. Enxing

Der Jovyplatz wurde nach Dr. Michael Jovy, Oberbürgermeister von 1919 bis 1931, benannt. Gladbeck verdankt dem OB Jovy den Erwerb und die Gestaltung des Wittringer Waldes, den Bau der grossen Sportstätten, die Abwehr der Eingemeindung, die Planung des Nordparkes und anderer Grünflächen.

Was ist mit diesem kurzen Text gemeint?

Die Inschrift bezieht sich auf Gladbecks Oberbürgermeister Dr. Michael Jovy, der von 1918 bis zu seinem Tod 1931 als Gladbecks Stadtoberhaupt im Amt war.

Auf seine Initiative geht die 1928 eingeweihte „Volkserholungsstätte Wittringen“ zurück, das beliebte Naherholungsgebiet in Wittringen mit dem historisierten Wasserschloss, dem städtischen Museum, den ausgedehnten Parkanlagen mit den Teichen und den großzügigen Sportstätten.

Und was ist mit „Abwehr der Eingemeindung“ auf dem Gedenkstein gemeint? Dieser Hinweis bezieht sich auf die Welle der Eingemeindungen in den 1920er Jahren, als viele Orte ihre Selbstständigkeit verloren. Dazu gehörten Buer, Horst und Schalke, die seitdem Stadtteile von Gelsenkirchen sind. Gladbeck dagegen konnte seine Selbstständigkeit bewahren, sich allerdings auch nicht durch Eingemeindungen vergrößern.

Der in der Inschrift ebenfalls erwähnte Nordpark mit seinen Grünflächen und dem großen Teich, eine der schönsten Parkanlagen in Gladbeck, wurde zwar erst 1935 fertiggestellt, aber die Planung geht auch auf die Amtszeit von Dr. Jovy zurück. Erwähnt sei hier auch der damalige Baurat Dr. Richard Korn.

Die Bedeutung der Inschrift haben wir also ermittelt. Aber es bleiben doch Fragen: Von wem wurde der Gedenkstein errichtet? Zu welchem Anlass wurde er aufgestellt und wann geschah das?

Wenn Sie dazu etwas wissen, dann melden Sie sich bitte bei Dietrich Pollmann, Vorstandsmitglied im Verein für Orts- und Heimatkunde:
Mail: oder Tel. .

Unbekanntes Gladbeck - Standort des Gedenksteins im Jovypark
Roter Punkt: Standort des Gedenksteins im Jovypark gegenüber des Riesener-Gymnasiums – Karte: VOH

Noch ein Nachtrag:

Erstaunlicherweise wird auf dem Gedenkstein kein Bezug genommen zum heutigen Jovyplatz, wo der Gedenkstein aufgestellt ist. Auch das historisch bedeutende Ensemble des heutigen Jovyplatzes mit Finanzamt, Amtsgericht, Polizeigebäude, den „Beamtenwohnhäusern“ und dem Jovypark entstand in den 1920er Jahren während der Amtszeit von Dr. Jovy.

Unbekanntes Gladbeck – der Paragrafenpantoffel

Über dem Eingang der Gaststätte Surmann an der Ecke Hochstraße / Horster Straße ist dieser seltsam aussehende Schlussstein zu sehen.

Unbekanntes Gladbeck - Paragrafenpantoffel über dem Eingang der Gaststätte Surmann
Paragrafenpantoffel über dem Eingang der Gaststätte Surmann – Fotos: H. Enxing

Über die Bedeutung und Entstehung dieses Steins weiß Heinz Enxing folgende Anekdote zu erzählen:

Wirt Paul Surmann an der Ecke Hoch- /Horster Straße hat seine Gaststätte voller Gäste, als der Polizist hereinkam und das Einhalten der Polizeistunde mahnte. Surmann war darüber so verärgert, dass er dem Schutzmann sagte, er hätte so krumme Beine, dass er damit nicht einmal ein Schwein festhalten könne. Das war eine Beleidigung, und so erhielt er eine Vorladung vors Amtsgericht.

Am Tag der Verhandlung hatte der Wirt seine Gaststätte wieder so voll, dass er den Termin fast verpasste. Doch seine Frau erinnerte ihn, und Paul lief, so wie er war, zum Gerichtstermin. Dass er eine Strafe wegen Beamtenbeleidigung erhielt, akzeptierte er, doch dass er zusätzlich fünf Mark wegen ungebührlichen Verhaltens vor Gericht zahlen sollte – er war nämlich in Pantoffeln zum Gericht geeilt – wollte er nicht einsehen.

Zur Erinnerung beauftragte Paul Surmann Gottfried Kappen, den Paragraphenpantoffel zu gestalten und liess ihn über dem Eingang zu seiner Gaststätte als Schlussstein anbringen.

Heinz Enxing
Unbekanntes Gladbeck - Lage der Gaststätte Surmann mit dem Paragraphenpantoffel
Roter Punkt: Lage der Gaststätte Surmann an der Ecke Hochstraße / Horster Straße – Karte: VOH

Unbekanntes Gladbeck – Mühlstein am Wittringer Teich

Am Wittringer Teich stand eine Mühle, die 1930 abbrannte und nicht wieder aufgebaut wurde. An diese Mühle erinnert der erhalten gebliebene Mühlstein.

Unbekanntes Gladbeck, Haus Wittringen - Mühlstein
Mühlstein der ehemaligen Mühle am Wittringer Teich – Foto: Heinz Enxing

Ab dem Mittelalter waren Wasserräder als Antrieb von Mahlmühlen und verschiedenen anderen Maschinen in ganz West- und Mitteleuropa bis in den Nord- und Ostseeraum verbreitet.

Mit zunehmender Verbreitung benutzten die Machthaber und Grundherren die Wassermühlen als Einnahmequelle für Steuern. Neben dem Mühlenrecht und dem Mühlenzwang, der für Mühlen mit Antrieben aller Art und insbesondere für Getreidemühlen galt, waren für Wassermühlen noch einige zusätzliche Regularien von Bedeutung: Für die Nutzung des Staurechtes wurde meist eine besondere Abgabe fällig (Wassererkenntnis, Wasserzins, …).

Unbekanntes Gladbeck, Haus Wittringen - Alte Mühle vor 1930
Alte Mühle vor 1930 – Foto: Gruß aus Gladbeck

Das Recht für die Anlage, also den Bau, und den Betrieb von Mühlen wurde im Mittelalter als Mühlenrecht oder Mühlengerechtigkeit bezeichnet. Die Mühlen wurden durch den Mühlenfrieden in besonderem Maße geschützt. Die Rechte und Pflichten des Müllers wurden unter anderem durch Zünfte, vor allem aber durch die Mühlenordnung geregelt, für die Gewährung des Mühlenrechts ein Mühlenzins oder Wasserlaufzins bezahlt.

Der Mühlenzwang verpflichtete alle Untertanen eines Grundherrn, ihr Getreide ausschließlich in der Kameralmühle, Zwangmühle oder Bannmühle mahlen zu lassen und sicherte somit dem Müller über Jahrhunderte gleichbleibende Einkünfte. Verstöße gegen das Bannrecht wurden mit Strafen belegt. Damit wurde ein Wettbewerb zwischen den Mühlen verhindert und durch den künstlich erhöhten Mahllohn konnten zusätzliche Einnahmen erzielt werden. Davon hatten allerdings viele Mühlenpächter nur wenig, da die Pachtzahlungen an den Eigentümer häufig sehr hoch waren.

Unbekanntes Gladbeck - Standort des Mühlsteins am Wittringer Teich
Roter Punkt: Standort des Mühlsteins am Wittringer Teich – Karte: VOH

Kennen Sie den steinernen Adler an der Vogelinsel?

Direkt neben dem Zugang zur Vogelinsel in Wittringen gibt es einen Steinadler.

Unbekanntes Gladbeck - Steinadler am Eingang zur Vogelinsel
Steinadler am Eingang zur Vogelinsel – Fotos: W. Keuterling

Hierzu weiß Heinz Enxing mit einem Augenzwinkern folgende Anekdote zu erzählen:

„Im Freistaat Preußen war es üblich, öffentliche Gebäude mit einem Adler aus Stein über dem Eingangsportal zu schmücken. In Gladbeck gab es drei so verzierte Gebäude: Das ehemaligen Postgebäude, heute Gasthaus „Alte Post, trägt den Adler immer noch über dem Eingang ebenso wie das Amtsgericht über dem Nebeneingang in der Friedrichstraße. Der dritte Adler war über dem Eingang zum ehemaligen Arbeitsamt in der Goethestraße angebracht.“

Unbekanntes Gladbeck - Adler am ehemaligen Arbeitsamt an der damaligen Roonstraße, heute Goethestraße
Adler am ehemaligen Arbeitsamt an der Roonstraße, heute Goethestraße – Quelle: unbekannt

„Als das Arbeitsamt an der Goethestraße nach der Kriegszerstörung neu gebaut wurde, passte der Adler am alten Arbeitsamt aber nicht so recht zum neuen Gebäude, und nun überlegte man, wo man ihn dann unterbringen sollte. Jemand kam auf die Idee, dass der Adler aus Stein ja ein Steinadler und somit ein „Vogel“ sei. Da Gladbeck eine Vogelinsel in Wittringen hat, war der Steinadler dort sehr gut untergebracht.“

Unbekanntes Gladbeck - Standort des Steinadlers an der Vogelinsel in Wittringen
Roter Punkt: Standort des Steinadlers an der Vogelinsel in Wittringen – Karte: VOH

Unbekanntes buntes Pumpwerk

Zwischen Roßheidestraße und Heringstraße liegt am Hahnenbach ein bunt bemaltes Pumpwerk. Warum muss das Wasser des Hahnenbachs hier angehoben werden?

Unbekanntes Gladbeck - Künstlerisch gestaltetes  Pumpwerk am Hahnenbach
Künstlerisch gestaltetes Pumpwerk am Hahnenbach – Foto: H. Enxing

In relativer Nähe zum Hahnenbach lagen die Schächte der ehemaligen Zeche Mathias Stinnes III / IV. Um die empfindlichen Schächte vor Abbaueinwirkungen zu schützen, ließ man um die Schächte „Schachtsicherheitspfeiler“ stehen, in dem keine Kohle abgebaut werden durfte. Der Schacht lag sozusagen allmählich auf dem Berg, während sich rundum die Landschaft absenkte.

So sackte der Hahnenbach im Laufe der Zeit im Bereich des Schachtsicherheitspfeilers nicht ab und man musste ein Pumpwerk bauen, das das Wasser aus der Tieflage holt. Die Emschergenossenschaft ließ das Pumpwerk kreativ gestalten.

Unbekanntes Gladbeck - Standort des Pumpwerks am Hahnenbach
Roter Punkt: Standort des Pumpwerks am Verbindungsweg zwischen Roßheidestraße und Heringstraße – Karte: VOH

Wissen Sie, warum die Europabrücke gebaut werden musste?

Früher gab es beim Bahnhof West eine Unterführung, durch die auch die Straßenbahnen nach Zweckel und Kirchhellen fuhren. Sie war schmal und stand bei jedem größeren Regen unter Wasser. In Blickrichtung nach Rentfort ist links hinter dem Haltestellenschild der Aufgang zu den Bahnsteigen erkennbar.

Unbekanntes Gladbeck - Unterführung am Bhf Gladbeck-West
Unterführung am Bhf Gladbeck-West – Foto: StA_GLA_Grosser_Ordner5_S_Film189_Negativ3

Früher erhielten die Bergleute ihren Hausbrand von Kleinunternehmern, die mit Pferd und Wagen die Kohlen brachten. So lief der olle R. neben seinem Pferdewagen her, als er durch die Unterführung zum Landabsatz der Zeche Möller wollte, um neu zu laden. Hinter ihm klingelte die Straßenbahn, die nach Kirchhellen wollte. R. kümmerte sich trotz mehrfachen Ping-ping nicht darum. Als er hinter der Unterführung endlich in die Möllerstraße abbog, schimpfte der Straßenbahnfahrer: „Hast Du mein Klingeln nicht gehört?“ „Jao“, rief R. „Konntest denn nicht ausweichen?“ R. antwortete: „Ich schon, aber Du nicht.“

Heinz Enxing

Auf der Luftbildaufnahme des Regionalverbands Ruhr ist die Unterführung ziemlich in der Mitte noch gut zu erkennen.

Unbekanntes Gladbeck - Luftbild des Bhf West und der Straßenführung um 1934
Bhf West: Luftbild der Gleisanlagen und der Straßenführung um 1934 – Quelle: Geoportal.Ruhr

Hauptgrund für den Neubau war aber, dass der Bahnhof Gladbeck West im Bereich des Schachtsicherheitspfeilers der nahe gelegenen Zeche Möllerschächte lag. Der Schachtsicherheitspfeiler, ein kegelförmiger Teil des Untergrundes, in dessen Zentrum die Schächte sind und der in 1000 m Tiefe bis 500 m Durchmesser haben kann, soll die empfindlichen Schächte vor Bergschäden bewahren. Dort findet kein Abbau statt.

Unbekanntes Gladbeck - Bahnhof Gladbeck-West
Bahnhof Gladbeck-West – Quelle: unbekannt

Während westlich und östlich des Bahnhofs durch den Bergbau das Gelände absackte, traf das für den Bahnhofsbereich nicht zu. Längere Güterzüge aus Richtung Buer oder Bottrop benötigten deshalb eine zusätzliche Lok, um es über den „Gladbecker Berg“ zu schaffen. Die Lösung war, die Gleise im Bereich des Bahnhofs Gladbeck um sechs Meter abzusenken. Darum liegen Gleise und Bahnsteig heute in Tieflage. Das Bahnhofsgebäude links steht erkennbar mehrere Meter höher.

Da man die Unterführung im Zuge der Rentforter Straße, die ohnehin schmal war und bei jedem größeren Regen unter Wasser stand, nicht noch weiter absenken konnte, entschloss man sich 1964 statt einer Unterführung eine großzügige Überführung, eben die Europabrücke, zu bauen.

Von H. Enxing

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